Im Herbst 2021 beginnt das Psychoseseminar Potsdam wieder mit 10 Veranstaltungen zu neuen spannenden Themen. Ich habe Laura Angermann und Kai Dargel, die beiden Moderatoren des Psychoseseminars, dazu befragt, was für sie das Besondere an einem trialogischen Forum wie dem Psychoseseminar ist, welche Chancen es uns bietet und was sie sich für die Zukunft wünschen würden.
Anne: “Liebe Laura, lieber Kai, ihr moderiert gemeinsam das Potsdamer Psychoseminar und habt seit diesem Jahr die Leitung übernommen. Wie ist die Idee dazu entstanden?”
Trialog AG: “Wir moderieren seit fünf Jahren das Psychoseseminar. Wir sind schon seit 10 (Kai) und 8 (Laura) Jahren dabei und in dieser Zeit gab es schon zwei Generationen an Moderatoren. Anfangs haben wir jeweils mit moderiert und mit der Zeit kam die Frage auf, ob wir uns vorstellen könnten die Moderation zu übernehmen, was wir 2018 taten.”
Anne: “Wie ist der Ablauf eines typischen Psychoseseminar-Termins? Gibt es überhaupt Typisches, oder ist es immer unterschiedlich?”
Trialog AG: “Die Teilnehmer finden sich ein und zu Beginn gibt es eine Anmoderation (Begrüßung, Regeln und Traditionen, Thema). Wenn es dann losgeht, ist es erstmal still. Jeder überlegt, was ihm zu dem Thema einfällt, nach dem kurzen Schweigen beginnt jemand mit dem ersten Beitrag. Von 18 bis 19 Uhr ist die erste Hälfte des Seminars, dann gibt es eine 15 minütige Pause, in der auch immer ein wertvoller Austausch stattfindet. Nach der Pause wird der Raum geöffnet für diejenigen, die noch nichts gesagt haben. Es entsteht wieder ein kurzes Schweigen. Es wird darauf geachtet, dass sich alle miteinander auf gleicher Augenhöhe und respektvoll begegnen. Das Seminar endet 20 Uhr, jeder räumt seinen Stuhl weg und es besteht das Angebot, danach noch gemeinsam was Essen und Trinken zu gehen.”
Anne: “Was ist das Besondere am Psychoseseminar?”
Trialog AG: “Das Besondere am Psychoseseminar ist der Trialog. Hier treffen Profis, Angehörige und Erfahrene aufeinander, die sich auf Augenhöhe austauschen. Wir verfolgen nicht den Anspruch allgemeingültig zu sein, jede Erfahrung ist jedem eigen und darf niemanden abgesprochen werden. Es gibt im Bereich der Erfahrung kein Richtig oder Falsch. Außerdem ist es eine offene Veranstaltung, an der auch Menschen ohne Erfahrung teilnehmen können. Zudem nehmen auch Studierende teil, die eine eigene Perspektive einbringen. Die Studierenden müssen eine Mindestzahl an Seminaren besuchen, um am Ende einen Erfahrungsbericht zu verfassen und vorzutragen. Diese sind für alle sehr bewegend und bereichernd. Es können aufschlussreiche Momente entstehen, da die trialogischen Bereiche (Profis, Angehörige und Erfahrene) manchmal auch eine stellvertretende Position einnehmen, z.B. für einen Angehörigen. Das kann für mehr Verständnis sorgen und Fragen beantworten.”
Wir verfolgen nicht den Anspruch allgemeingültig zu sein, jede Erfahrung ist jedem eigen und darf niemanden abgesprochen werden.
Laura und Kai von der Trialog AG
Anne: “Welche Baustellen seht ihr im Bereich „Umgang mit Psychosen/ psychischer Erkrankung“: wo hakt es eurer Meinung nach am meisten?”
Trialog AG: “Die größte Baustelle sehen wir in der Stigmatisierung, als zweites die fehlende Zeit der Profis für eine angemessene Behandlung. Aus unserer Sicht wird gegen die Stigmatisierung zu wenig getan. Sie wird eher befördert durch Medien, wie reißerische Nachrichten, Zeitungen, Spiele oder Filme. Es sollte mehr Aufklärung geben, schon in Schulen, auch würden öffentliche Veranstaltungen helfen, um mehr Toleranz zu fördern. Des Weiteren sollte der Mensch nicht nur auf seine Diagnose reduziert werden.
Oftmals klagen auch Profis über fehlende Zeit und zu hohen Druck. Hin und wieder werden Medikamente hoch dosiert eingesetzt. Die Zeit für eine ausreichende Behandlung ist zu kurz, oftmals ist der Psychiater kurz angebunden und es geht im Gespräch überwiegend um die Medikamentenfrage. Zudem gibt es viele Psychotherapeuten, die sich eine ambulante Versorgung von Psychosen nicht zutrauen, oftmals wird man abgewimmelt und man ist dadurch mit vielen Fragen auf sich allein gestellt.”
Anne: “Wo seht ihr ‘Stellschrauben’ bzw. wo könnten sich Dinge diesbezüglich verändern/ entwickeln/ bewegen?”
Trialog AG: “Es braucht mehr Anlaufzentren (auch für Angehörige), mehr Recovery Arbeit (mehr Angebote), der Personalschlüssel des Pflegenetzwerkes sollte verbessert werden (Ergotherapeuten, Ärzte, Psychiater, Pfleger und Schwestern, Sozialarbeiter, etc.) und dem Erfahrenen sollte mehr zugetraut werden (Experte von sich selbst werden, auch in Bezug auf Medikamente, etc.).”
Anne: “Was würdet ihr euch für die zukünftige Entwicklung des Psychoseseminars wünschen?”
Trialog AG: “Wir wünschen uns für das Psychoseseminar, dass es weiterhin besucht wird, dass auch junge Menschen kommen und sich gemeinsam austauschen. Auch, dass sich in Zukunft mehr Profis ins Seminar trauen und auch etwas sagen. Außerdem hoffen wir, dass wir Stigmata weiterhin abbauen können, dass wir viele Menschen erreichen, unser Wissen teilen können und uns gegenseitig bereichern.”
Anne: “Vielen Dank, dass ihr euch Zeit genommen habt!”